Leder lebt !

Ein Großteil des folgenden Berichts stammt aus der Zeitung Oldtimer-Praxis 6/99.

Für die Innenausstattung von Serienfahrzeugen verwenden die Hersteller schon immer hauptsächlich Rindsleder, seltener sind Häute vom Wasserbüffel zu finden. Bis etwa Mitte der fünfziger Jahre wurden die Tierhäute ausschließlich mit pflanzlichen Stoffen gegerbt. Dann stiegen auch Handwerksbetriebe immer mehr auf das Chromgerbungsverfahren um. Es verkürzte den Prozess und machte ihn dadurch preiswerter. Bezüge besonders hochwertiger Fahrzeuge werden jedoch auch heute noch mit pflanzlichen Gerbstoffen bearbeitet. Insider stufen dieses Leder immer hochwertiger ein als chromgegerbtes.

Zu erkennen sind die unterschiedlichen Qualitäten auch für Laien. Wurde mit pflanzlichen Stoffen gegerbt, so bleibt die Rückseite fast immer naturfarben, egal mit welchem Farbton die eigentliche Färbung vorgenommen wurde. Gutes chromgegerbtes Material ist dagegen immer vollständig durchgefärbt. Zum anderen erkennt man die Gerbart an der Geschmeidigkeit, nach dem alten Verfahren erzeugte Leder fassen sich deutlich fester an.

Von Leder spricht der Fachmann übrigens erst, wenn das Gerben der Tierhaut abgeschlossen ist. Zunächst müssen aber die Ober- und Unterhaut entfernt werden. Dazu werden die Rohhäute in Behältern mit Kalk oder Natriumsulfit behandelt. Nach diesem Einweichen können die Oberhaut mit den Haaren und die Unterhaut mechanisch abgetragen werden. Die gewonnene sogenannte Blöße wird durch Enzyme in Fasergeflecht aufgelockert, so können die Gerbstoffe besser wirken. Diese lagern sich an den Eiweißkörpern der Fasern an und verflechten sie fest miteinander, indem sie lange Molekülketten bilden. Die Häute verlieren dadurch ihre Quellfähigkeit und werden resistent gegen Fäulnis. Einige der beim Gerben zugeführten Stoffe werden auch Antioxydantien genannt. In der Zurichtung schließlich wird das Leder je nach Einsatzzweck gefärbt, geschliffen, gefettet oder auch gepresst. Bei Bedarf wird es sogar mit einer künstlichen Narbung geprägt.

Viele Arbeitsschritte sind also nötig, um überhaupt Leder zu erhalten. Würde man die Häute nicht gerben, so wären sie etwa innerhalb eines Jahres vollständig verottet. Die Antioxydantien zögern den Verfall erheblich hinaus. Der Verfall des Leders wird aber durch verschiedene Einflüsse wie Feuchtigkeit, Hitze, Sonneneinstrahlung und natürlich durch mechanischen Abrieb beschleunigt. Auch biochemische Prozesse tragen ihren Teil bei. Beispielsweise durch das menschliche Hautfett, mit dem nahezu jedes Leder mehr oder weniger intensiv in Kontakt kommt, werden die beim gerben zugeführten Stoffe regelrecht verbraucht.

Richtige Lederpflege besteht also immer aus mehreren Komponenten: Wo nötig, muss es vor Feuchtigkeit geschützt werden, UV-Strahlung muss abgehalten und fehlende Antioxydantien müssen ergänzt werden. Darüber hinaus bedürfen verschlissene Oberflächen und ausgebleichte Farben einer Behandlung. Und spätestens jetzt wird wohl jeder erkennen, dass es mit Geheimrezepten wie Nivea-Creme, Kondensmilch oder schwarzem Tee wohl kaum getan sein kann ! Unbedingt vermieden werden sollten silikonhaltige Produkte. Die mögen auf Kunststoffen wirken, bringen bei Leder aber nur eine schnelle optische Verbesserung und keinerlei Pflege.

Bei Fragen zu diesem Bericht wendet Euch bitte an marco@z1z1.de.

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